4. Warum gehen wir ausgerechnet sonntags zur Kirche?

Einführung

 

Die deutsche Bezeichnung „Sonntag – Tag des Sonnengottes“ stammt noch aus vorchristlicher Zeit. Die romanischen Sprachen folgen der neutestamentlichen Bezeichnung und nennen ihn sehr treffend „Tag des (auferstandenen) Herrn“ (domenica; domingo; dimanche).

Aber auch die deutsche Bezeichnung ist sinnvoll: Die Sonne spendet Licht und Wärme.

Auch Jesus Christus spendet Licht und Wärme: Er schenkt uns seine Liebe.

Da die Sonne im Osten aufgeht, hat man seit alter Zeit die Kirchen mit dem Chor in Richtung Osten gebaut. Die aufgehende Sonne erinnert uns an die Wiederkunft Jesu Christi am Ende der Zeiten, vgl. Gotteslob Lied 479 (642).

Der Sonntag ist in unserer Gesellschaft aus mehreren Gründen bedroht: „Säkularisierung, Individualisierung, Pluralisierung und vor allem die Dominanz der Wirtschaft über alle Lebensbereiche und die damit verbundenen Veränderungen in der Arbeitswelt“ sind solche Gründe. (Q 1)

Für unsere Kinder ist eher das veränderte Freizeitverhalten ein Problem. Insbesondere Sportveranstaltungen (Turniere), bisweilen aber auch Einladungen zu Kindergeburtstagen konkurrieren mit dem Gottesdienst am Sonntagmorgen. Deshalb ist es gut, den Wert des Sonntags neu zu bedenken:

“Die Funktion des Sonntags als Tag der Ruhe und Erholung, zur Pflege der Gemeinschaft in Familie, Nachbarschaft und Öffentlichkeit sowie im Dienst am Nächsten („Sozialzeit“), vor allem auch der gemeinsamen Feier des Sonntagsgottesdienstes („Sonntagsheiligung“) wird zum Teil wieder neu entdeckt...“ (Q 1)

Wie weit die Säkularisierung unserer Gesellschaft vorangeschritten ist, kann man an einer kleinen Änderung des Kalenders ablesen, die bei ihrer Einführung im Jahr 1975 fast unbemerkt geblieben ist:

In den säkularen Kalendern und im allgemeinen Bewusstsein ist der Sonntag zum letzten Tag der Woche geworden („Wochenende“), für uns Christen aber ist er der erste Tag der Woche. Warum?

Im Evangelium heißt es:

Als Jesus am frühen Morgen des ersten Wochentages auferstanden war, erschien er zuerst Maria aus Magdala. (Mk 16,9)

„Die erste Begegnung mit dem Auferstandenen hatte sich am Morgen des ersten Tages der Woche... vollzogen. Der Morgen des ersten Tages wurde damit von selbst der Zeitpunkt des christlichen Gottesdienstes und der Sonntag zum „Tag des Herrn“. (Q 2)

Dass der Sonntag ein arbeitsfreier Tag ist, ist nicht selbstverständlich. Im altrömischen Reich gab es einen solchen Wochentag nicht, erst Kaiser Konstantin hat ihn verpflichtend gemacht (321 n.Chr.).

Auch der Islam kennt einen solchen Wochentag nicht, lediglich eine Unterbrechung der normalen Geschäfte für das Freitagsgebet.

Das Wochenschema und der arbeitsfreie Sonntag sind ein Geschenk des Judentums. Im ersten Kapitel des Alten Testaments, Genesis 1, sind sie grundgelegt: die sechs Arbeitstage und der Ruhetag des Sabbat.  (A 1)

Dabei beginnt der Sabbat am Freitagabend und endet samstags abends. Er beginnt also nicht morgens, sondern abends. Wir haben diese Sitte übernommen. Auch bei uns beginnt der Sonntag schon am Samstag Abend. Der Beginn am Abend des Vortages gilt auch für alle Feste.

Weil Jesus an einem Sonntag auferstanden ist, ist es ganz natürlich, dass die Eucharistie seit ältesten Zeiten am Sonntag gefeiert wird, wie die Apostelgeschichte zeigt: Als wir am ersten Wochentag versammelt waren, um das Brot zu brechen... (Apg 20,7)

Denn die Eucharistiefeier ist die Feier von Tod und Auferstehung Jesu.

So bekennen wir es nach der Wandlung: Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.

 

Anmerkungen

(A 1) Im Dialog mit Muslimen äußern unsere Gesprächspartner manchmal ihr Befremden darüber, dass es in Gen 1 heißt, am siebten Tag habe Gott geruht. Sie fragen: War Gott denn erschöpft? Musste er sich ausruhen? Und sie empfinden diese Bemerkung als unvereinbar mit der Souveränität Gottes. Dieses Missverständnis lässt sich leicht aufklären mit zwei Hinweisen:

  1. In Gen 1 heißt es: Gott sprach, und es ward.  Dieses Sprechen war offenbar keine „Anstrengung“.
  2. An anderen Stellen der Hl. Schrift wird das ganz deutlich, z.B.
    • Loben sollen alle Wesen den Namen des Herrn, denn er gebot, und sie waren erschaffen. (Ps 148,5)
    • Der Herr ist ein ewiger Gott, der die weite Erde erschuf. Er wird nicht müde und matt, unergründlich ist seine Einsicht. (Jes 40, 28)

Und warum heißt es, dass Gott am siebten Tag ruhte? Die Hl. Schrift will damit sagen: Die Ruhe am Sabbat bzw. Sonntag ist keine Erfindung von Menschen, sondern durch Gott geheiligt.

 

Quellen

(Q 1) Artikel „Sonntag“ im Lexikon für Theologie und Kirche, Herder 2009, Band 9

(Q 2) Joseph Ratzinger / Benedikt XVI., Jesus von Nazareth, Band II, S. 162